Zentralvenenkatheter sind ein wesentlicher Bestandteil der modernen Medizin. Für viele schwerkranke Patienten sind sie die einzige Ader, an der ihr Leben hängt. Andererseits können Zentralvenenkatheter aber auch der Ausgangspunkt von Komplikationen sein, die das Leben des Patienten einschneidend verändern oder verkürzen. So sind sie die mit Abstand häufigste Ursache nosokomialer Infektionen. Die Mehrzahl der bekannten Komplikationen sind durch spezielle Punktionstechniken und eine qualifizierte Nachbetreuung vermeidbar. Leider ist das entweder unzureichend bekannt oder wird in der täglichen Praxis ignoriert.
Indikationen
-Prolongierte Zufuhr irritierender Lösungen, die in einem Gefäß mit großem Durchmesser und hohem Flow verdünnt werden müssen, wie Chemotherapie oder parenterale Ernährung mit hochosmolaren Lösungen.
-Akutdialyse und chronische Dialyse bei Patienten, die noch keinen funktionierenden Shunt haben oder deren Gefäße für eine Shuntanlage nicht geeignet sind.
-Plasmapherese.
-Schwieriger peripherer Gefäßzugang bei kleinen oder obliterierten Gefäßen oder Adipositas.
-Zugang für Shunts (Aszites, Liquor).
-Kardiales Monitoring
Kontraindikationen
-Hautinfektion im Punktionsgebiet.
-Bei Gerinnungsstörung nur Punktion in gut komprimierbaren Regionen (Arm), keine Implantation von Ports und tunnelierten Langzeitkathetern.
-Bei Sepsis keine Implantation von Ports und tunnelierten Langzeitkathetern. -Niemals Subclaviakatheter bei Patienten mit Niereninsuffizienz, weil die immer zu erwartende Thrombose der Vena subclavia eine spätere Shuntanlage unmöglich macht!!!
Kathetersysteme
Je nach Art, Osmolarität, Volumen und Kompatibilität der zu applizierenden Substanzen sowie voraussichtlicher Nutzungsdauer gibt es unterschiedliche Kathetersysteme.
-Nicht tunnelierte externe Katheter für peripheren oder zentralen Zugang.
-Tunnelierte Katheter einlumig dünn aus Silikon für TPN, mehrlumig dick aus Silikon für Apherese, Dialyse und Knochenmarkstransplantation.
-Ports für gelegentliche Anwendung über langen Zeitraum (Chemotherapie).
Je mehr Lumina und je größer der Durchmesser und die Steifigkeit der Katheter, desto höher ist die Inzidenz von Infektionen und Thrombosen.
Anforderungen an den Zugang
-Das zu punktierende Geäß soll möglichst oberflächlich und leicht zugänglich sein.
-Der Verlauf zum Herzen soll geradlinig sein, um Wandkontakt des Katheters mit Intimaläsionen und nachfolgender Thrombose zu vermeiden.
-Das Lumen soll groß, der Flow hoch sein, dass hochosmolare oder irritierende Infusionslösungen schnell verdünnt werden.
-Keine Nähe zu wichtigen Organen, die durch Fehlpunktion geschädigt werden können.
-Keine Punktion durch Muskeln, keine Gelenknähe.
Diese Anforderungen treffen ausschließlich auf die proximale rechte Vena jugularis / Vena anonyma zu, die deshalb als Standardzugang verwendet werden sollte, zumal diese Punktion auch besonders einfach unter sonographischer Kontrolle erfolgen kann.
Reservezugänge mit stark erhöhter Komplikationsrate sind die Vena subclavia, die Vena femoralis und die Vena cava inferior translumbal oder transhepatisch.
PICC
Über die Oberarmvenen eingebrachte Katheter (PICCs) sind sehr preisgünstig, haben keine Punktionskomplikationen und wegen der niedrigeren Hauttemperatur am Arm mit einer im Vergleich zum Thorax um den Faktor 1000 niedrigeren bakteriellen Kolonisation der Haut eine sehr geringe Infektrate. Bei fachmännischer Pflege können sie über Jahre benutzt werden. Die Punktion darf nicht in der Ellenbeuge erfolgen, das Lumen der Vene muß mindestens doppelt so groß sein wie der Katheter. Wegen des geringen Katheterdurchmessers (ID 1 mm) sind sie nur für langsame Infusionen wie TPN geeignet.
Zentraler Zugang
Nur durch Punktion einer oberflächlichen Vene wie der V. jugularis/anonyma nach Visualisierung durch ein bildgebendes Verfahren (Sonographie) können punktionsbedingte Komplikationen vermieden werden.
Goldstandard ist die Punktion der rechten Vena jugularis/anonyma supraklavikulär nach oder unter sonographischer Kontrolle. Die Sonographie muß Lagevarietäten klären und Thrombosen nach früherer Katheterisierung ausschließen.
Die Vena jugularis/ Vena anonyma kann nach Yoffa zwischen medialem und lateralem Kopf des Musculus sternocleidomastoideus von ventral punktiert werden oder horizontal von lateral. Diese Methode wurde 1972 von den amerikanischen Herzchirurgen Garcia, Mispireta und Pinho nach ausführlichen anatomischen Präparationen als einfachster und ungefährlichster Zugang beschrieben. Das Zielgebiet, der Zusammenfluß von Vena jugularis und Vena subclavia zur Vena anonyma ist so groß, dass die Punktion auch ohne Sonographie immer beim ersten Stich gelingt.
Die Punktion von ventral kann unter realtime Sonographie mit einem Standardschallkopf wegen des geringen Abstands zur Clavicula nur in der kurzen Schallachse erfolgen, wobei die Nadel nur abschnittsweise sichtbar ist. Mit dem kleinen 22 MHz Fingerschallkopf aus der Rheumatologie ist auch eine Punktion in der langen Schallachse möglich.
Die einfachste und ungefährlichste Technik ist die horizontale Punktion von lateral, die sich auch besser für die sonographisch kontrollierte Punktion eignet.
Bei schwierigen Bedingungen, wie dieser subtotal thrombosierten V. jugularis bei Subvlaviaverschluß nach früherem ZVK erfolgt die Punktion unter real time Sonographie.
Bei Thrombosen und Tumorverschlüssen erfolgt die Kathetereinlage nach Dilataion mit einem Ballonkatheter durch den Verschluß, um nicht zusätzlich gesunde Venen durch den Kathter einem Thromboserisiko auszusetzen
Tunnelierung und Port
Langzeitkatheter und Portkatheter werden von der Punktionsstelle supraklavikulär 4 - 6 cm bis zum Thorax tunneliert.
Da tunnelierte Katheter eine fixe Länge haben, muß die Austrittsstelle exakt vermessen werden, dass einerseits die Katheterspitze im Vorhof bzw. der Vena cava superior liegt, andererseits der Tefloncuff mindestens 2 cm von der Austrittsstelle entfernt im Tunnel.
Portkammern sollen im Trigonum deltoideo-pectorale (Mohrenheim´sche Grube) liegen, bei Frauen ist darauf zu achten, dass sie nicht unter dem BH-Träger liegen und keinesfalls auf dem Brustansatz.
Die weiblich Brust hat die Eigenschaft, im Stehen der Schwerkraft zu folgen, und zwar umso mehr, je schwerer die Brust und je älter die Patientin. Der Port wandert dann mit der Brust nach unten und disloziert den Katheter aus der Vene. An den erweiterten Venen am linken Oberarm und Thorax erkennt man auch eine weitere Komplikation: die Thrombose der Vena subclavia.
Im Röntgen sieht man den dislozierten Katheter und die Kontrastmittelextravasation ins Mediastinum. Dorthin wurde auch das hochgradig gewebetoxische Adriamycin infundiert.
Argumente gegen die Punktion der distalen Vena jugularis
Die in der Anästhesie verbreitete Punktion der distalen Vena jugularis ist komplikationsträchtig und sollte vermieden werden. Normalerweise liegt die Vena jugularis lateral der A. carotis.
Bei der schädelnahen Punktion muß der Kopf nach links gedreht werden, weil sonst das Kinn im Weg ist. Dadurch rotiert die Vene vor die Arterie und das Lumen wird schlitzförmig.
Vor der Einmündung in die Vena anonyma macht die Jugularvene einen Knick von 45 Grad nach dorsal. Diatator, Einführschleuse und Katheter stoßen dort an der Venenvorderwand an und erzeugen Intimaläsionen, die bei 30% der Patienten später zur Thrombose führen.
Darüberhinaus geht der Katheter durch die ganze Breite des Musculus sternocleidomastoideus. Dies führt zu einer rein/raus-Bewegung des Katheters bei jedem Schlucken und jeder Kopfbewegung. Das begünstigt einerseits das Einwandern von Hautkeimen in den Punktionskanal, andererseits werden Fibrinablagerungen auf der Katheteroberfläche an der Punktionsstelle abgestreift. Dadurch kommt es zu einer Akkumulation von Fibrin und thrombotischem Material an der Venenwand und um den Katheter.
Argumente gegen Punktion von links
Von links eingeführte Katheter stoßen in der in mehreren Ebenen gewundenen Vena brachiocephalica an die Venenwand an und verursachen Intimaläsionen und Thrombosen. Die Wandschäden sind umso schlimmer, je steifer der Katheter ist. Die schlimmsten Schäden rufen die in der Intensivmedizin üblichen lage bore Katheter hervor.
Etwa 10% der Bevölkerung haben als embryologisch bedingte Anomalie eine links persistierende obere Hohlvene, die meist in den Sinus coronarius mündet. Liegt ein von links eingebrachter Katheter im Sinus coronarius, dem venösen Abfluß des Herzens, kann die Infusion hochosmolarer Ernährungslösungen oder irritierender Zytostatika zu einer akuten Sinusthrombose mit Behinderung des venösen Abflusses aus dem Myokard führen. Der Anstieg des myokardialen Perfusionsdruckes führt zu einer Ischämie auch bei gesunden Koronararterien mit Infarkten, Arrhythmien und plötzlichem Herztod (W Masood, KK Sitammagari: Coronary Sinus Thrombosis. StatPearls Publishing; 2020 ).
Punktion der Vena subclavia
Die infraclaviculäre Punktion der Vena subclavia anhand anatomischer Landmarken wurde im zweiten Weltkrieg entwickelt. ( R Aubaniac: L’ injection intraveineuse sous-claviculaire: avantages et technique. Presse Medicale 1952; 60:1456)
Kriegschirurgie ist sie auch geblieben. Bei dieser Methode wird in einer anatomisch heiklen Region, in der neben der Vene mehrere lebenswichtige Organe (Lunge, hirnversorgende Arterien, Ductus thoracicus, N. phrenicus, Plexus brachialis) dicht beieinander liegen, mit einer dicken Kanüle blind herumgestochert und dabei en masse Komplikationen erzeugt. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn diese Methode auf dem Hauptverbandsplatz eines afrikanischen Kriegsschauplatzes in Ermangelung besserer Möglichkeiten noch praktiziert wird, unter elektiven Bedingungen in einer medizinischen Einrichtung eines zivilisierten Landes hat sie wegen der exorbitanten Rate leicht vermeidbarer Komplikationen ganz sicher nichts mehr zu suchen.
Um die Vena subclavia zu punktieren, muß horizontal unter der Clavicula in Richtung Manubrium sterni eingestochen werden. Dies gelingt nur, wenn der Patient auf einer harten Unterlage mit einem Hypomochlion unter der Wirbelsäule liegt, dass die Schultern nach hinten fallen.
Bei falscher Lagerung ohne Hypomochlion oder bei Punktion im Bett mit weicher Matratze führt die vorstehende Schulter zu schräger Punktion mit Verletzung der Lunge und Pneumothorax.
Bei älteren Patienten ist das Gewebe zwischen 1. Rippe und Clavicula oft sehr hart oder verknöchert. Wird dann zuviel Druck auf die Nadel ausgeübt, geht sie durch die Vene in die dahinter liegende A. carotis der Gegenseite mit der Folge eines Mediastinalhämatoms.
Argumente gegen Punktion der Vena subclavia
-Intimaläsionen durch Druck des Katheters und ständige Bewegung an der Kathetereintrittsstelle verursachen Stenosen und Thrombosen bei 60% rechts bis 90% links ( M DeCicco, M Matovic, L Balestreri, G Panarello, D Fantin, S Morassut, V Testa: Central venous thrombosis: an early and frequent complication in cancer patients bearing long-term silastic catheter. A prospective study. Thrombosis Res. 1997;96:101-113.)
Thrombosen der Vena subclavia sind symptomarm und werden deshalb fast immer übersehen. Sie sind aber nicht harmlos und oft die Ursache einer Lungenembolie (M.Monreal, A. Ravantos, R. Lerma, J Ruiz, E Lafoz, A Alastrue, JF Llamazares: Pulmonary embolism in patients with upper extremityDVT associated to venous central lines- a prospective study. Thromb Haemost 1994; 72: 548-550).
- Bei Punktion ohne Durchleuchtung kommt es oft zu einer Fehllage in der Vena jugularis.
Bei diesem Patienten hat der Chirurg nicht nur auf die obligatorische Durchleuchtng verzichtet, sondern auch noch die ganzen 50 cm Plastikschlauch, die in der Packung sind, ungekürzt in den Patienten geschoben, obwohl der Abstand von der Punktionsstelle bis zur Cava/Vorhofgrenze, wo die Katheterspitze liegen soll, nur 10-12 cm beträgt. Dem Patienten wurden mehrere Zyklen Chemotherapie ins Hirn infundiert, bis die resultierende Sinusvenenthrombose zur Entdeckung der Fehllage führte.
- Frustrane Punktion mit notwendigem Wechsel der Punktionsstelle bei 5-35% der Katheteranlagen.
- Infektionsrate doppelt so hoch wie bei Punktion der proximalen Vena jugularis.
- Pneumothorax bei 5-15%.
- Arterienpunktion (A. carotis oder subclavia der Gegenseite) mit Mediastinalhämatom, Hämatothorax, Intimadisektion/Apoplex bei 10%.
- Pinch off Syndrom bei 2%. Dabei wird der Katheter zwischen 1. Rippe und Clavicula abgeschert. Es kommt zuerst zur Extravasation bei Injektionen, dann zur Katheterfragmentation mit Embolisation in rechten Vorhof, rechten Ventrikel oder die Lunge. Solange das Katheterfragment noch im Herzen liegt, kann es oft transfemoral mit einer Schlinge extrahiert werden. Aus der Pulmonalarterie kann es nur durch eine offene Operation mit HLM entfernt werden.
Punktion der Vena axillaris
Statt der Vena subclavia intrathorakal kann man die Vena axillaris vor dem Eintritt in den Thorax songraphisch kontrolliert punktieren.
Diese Punktion ist wesentlich schwieriger, als die der Vena jugularis, da die Vena axillaris sehr tief liegt. Der Punktionskanal geht durch den Pektoralmuskel, die Eintrittstelle liegt unmittelbar am Schultergelenk, deshab wird der Katheter ständig bewegt.
Mit dieser Technik kann man Pneumothorax und Pinch off vermeiden, die Thromboseinzidenz ist aber gleich hoch wie bei der Subclaviapunktion, die Infektrate ebenfalls, statt der A. carotis ist die hinter der Vene liegende A. axillaris bei der Punktion gefährdet.
Nachsorge
Während die periinterventionellen Komplikationen durch geeignete Punktionstechnik und sonographische Kontrolle vermieden werden können, lassen sich die postinterventionellen Komplikationen durch eine sorgfältige Pflege durch speziell geschultes Personal vermeiden.
-Desinfektion der Hände und des Hub vor jeglicher Manipulation am Katheter. Bei Silikonkathetern darf kein PVP-Jod verwedet werden.
-Vor und nach jeder Injektion Katheter mit NaCl spülen.
-Täglicher Verband mit normalem Schlitztupfer. Die von der Industrie angepriesenen Folienverbände erhöhen die Hauttemperatur und damit die bakterielle Kolonisation der Haut und die Infektrate. Sie sind allenfalls indiziert bei Kathetern neben einem Tracheostoma, da das dort austretende vereufte Sekret noch gefährlicher ist als die Hautkeime.
-Nicht tunnelierte Katheter alle 5 Tage über Draht wechseln.
-Niemals Blutabnahme aus einem Port oder tunnelierten Katheter. Jede Blutabnahme führt zu einer gesetzmäßien Ereigniskaskade, an deren Ende der Verlust des Katheters und oft auch des Patienten steht. Bei Blutkontakt entsteht auf dem Kathetermaterial ein Biofilm (Fibrin und Fibronectin). Adhärenz von Bakterien und Thrombozyten am Fibronectin. Thrombozytenaktivierung, Leukozytendegranulation, Komplementaktivierung, Gerinnungsaktivierung. Bildung einer Fibrinmanschette um den Katheter und eines Thrombus im Katheter sowie Sepsis durch die adhärenten Bakterien. Bei nicht tunnelierten Kathetern ist die Blutabnahme nicht so dramatisch, sofern diese ordnungsgemäß alle 5 Tage gewechselt werden.
-Bei Kathetern, die zum Zweck der Blutabnahme implantiert wurden( Apherese, Dialyse) kann dieser Ablauf durch intensive Spülung und Instillation von 1 mg Actilyse nach jeder Benutzung verzögert werden.
-Ports und nicht benutzte Katheter müssen mit einer Heparinplombe gefüllt werden.
-Während der gesamten Liegedauer sind die Patienten suffizient zu antikoagulieren!!!!
Jeder interventionell tätige Radiologe oder Kardiologe lernt am ersten Arbeitstag, dass ein Patient heparinisiert werden muß, sobald eine Schleuse im Gefäß liegt, um thromboembolische Ereignissen durch Führungsdrähte und Katheter zu vermeiden. Tumorpatienten, die per se ein erhöhtes Thromboserisiko haben, werden nach Portimplantation ohne Antikoagulation heimgeschickt. Monreal et al. haben in einer prospektiven Studie Patienten mit und ohne Antikoagulation nach Portimplantation verglichen. Die Studie wurde vorzeitig durch die Ethikkommision abgebrochen, weil ohne Antikoagulation soviele Thrombosen auftraten, dass eine Fortführung ohne Heparin nicht zu vertreten war (M Monreal, A Alastrue, M Rull, X Mira, R Rosell, A Abad: Upper extremity deep venous thrombosis in cancer patients with venous access devices - prophylaxis with a low molecular weight heparin. Thromb Haemost 1996; 75:252-253).